Zurück zum Ohrwurm. Er ließ mich nicht los und ich dachte weiter: Wie wäre es einen Ort zu haben an dem man ganz unkompliziert ins Gespräch über den Tod kommen könnte? Ein gemütlicher, unverbindlicher Ort, mit kuscheligen Sofas, heißem Tee und kühlem Bier. Ein Ort, der die Schwere des Themas ausgleicht. Und dort ein regelmäßiges Treffen veranstalten, eine Art Gesprächsrunde – ein Stammtisch unter dem Motto: Zuhören, erzählen, philosophieren! Ich erzählte meiner Freundin und damaligen Kollegin Daniela Glänzer von meiner Idee und sie war genauso begeistert davon, wie ich. Wir waren ab sofort ein Team und legten los. Die Wahl des Ortes fiel auf ein angesagtes Wiesbadener Café mit einem separaten Raum: Vom Cafébetrieb akustisch getrennt durch eine Glastüre sind wir so für uns und doch mittendrin. Ich entwickelte Logo und Website, wir druckten Flyer und gingen mit unserer Idee an die Presse, die – angetan von der Idee – darüber berichtete.
Am Eröffnungsabend im Februar 2015 warteten wir voller Aufregung auf die Teilnehmer – es war ein Experiment und ein Wagnis, auf das wir uns da einließen: Gab es noch andere Menschen, die wie wir über Tod und Sterben sprechen wollten?
Die Resonanz war umwerfend und zeigte uns, dass wir auf dem richtigen Weg waren: 25 Menschen kamen. Das Feedback war durch die Reihe positiv und wir waren begeistert!
Dennoch wussten wir, dass sich unser Stammtisch erst mal bewähren musste. Und das tat er: Im Durchschnitt kamen zu den Treffen zehn bis zwölf Menschen mit unterschiedlichsten Hintergründen und Professionen. Immer ein abwechslungsreicher Mix aus Interessierten und Fachmenschen aus dem Hospiz- und Palliativbereich. Alle vereinte jedoch das Bedürfnis, sich den Themen Tod, Sterben, Abschied und Trauer zu zuwenden und sich darüber auszutauschen.
Anfangs gab es immer eine kurze Vorstellungsrunde, wobei galt: Wer nur zuhören will, der darf schweigen. Dann warfen wir ein Thema in die Runde, meist verbunden mit einer Geschichte. Dann entstand eine eigene Dynamik und jeder hatte etwas dazu zu erzählen. Wir alle waren jedes Mal begeistert von der Offenheit, dem Vertrauen und der Toleranz unserer Teilnehmer und jede Frage führt zu 100 neuen. Und auf so viele gab es keine Antwort…
Angsteinflößend. Spannend. Lebendig.
Immer lag nach unserem Stammtisch ein Gefühl von Gemeinschaft und dieses magische Etwas in der Luft. Das, was immer da ist, wenn man sich öffnet, anderen wirklich zuhört und seine Ängste und Sorgen teilt.
Der unkonventionelle Name und die Gestaltung wurden regelmäßig gelobt, auch der Austausch unter Fremden fand großen Anklang: Man wäre gleich viel offener, hieß es. Es wäre gemütlich im Café, man fühle sich wohl. Viele unserer Teilnehmer waren inzwischen zu Stammgästen geworden und traurig, wenn sie einen Stammtisch verpassten.
Im September 2018 – nach 3 Jahren und 8 Monaten – gaben wir bekannt, dass wir den Stammtisch nicht mehr weiter leiten würden. Die Teilnehmer beschlossen einstimmig, sich unter eigener Organisation weiterhin zu treffen und Name, sowie Konzept beizubehalten.
Ich freue mich, dass die Idee weitergetragen wird, denn ich glaube, dass jeder eine Geschichte zu diesen Themen zu erzählen hat. Ach was! Viele Geschichten…